DIN ISO… Idioten sammeln Ordner. Sicher kennen Sie die wenig schmeichelhafte Umschreibung für die weit verbreiteten Industrienormen. Tatsächlich ist das Thema Zertifizierung in vielen Köpfen mit der Angst besetzt, endlos Dokumentation zu betreiben, ohne dass dies einen nennenswerten Nutzen hätte. Das gilt auch für die Branche der Steuerberater, in der wir zu den ersten Kanzleien gehörten, die sich nach DIN ISO 9001 zertifizieren ließen. Inzwischen empfinden wir die zu Grunde liegenden Qualitätsprozesse nicht mehr als Belastung, sondern als Entlastung.
Warum? Weil es uns nicht allein um die Zertifizierung geht. Vielmehr leben wir in unserem Kanzleialltag ein aktives Qualitätsmanagement. Als Chefin habe ich hohe Ansprüche und Standards, für die ich mich einsetze, notfalls auch streite. Diese einheitliche Linie in unseren Prozessen ist mir sehr wichtig. Doch um beispielsweise neuen Mitarbeitern – die nicht nur ihre Berufserfahrung, sondern auch eine eigene Arbeitsweise mitbringen – klar kommunizieren zu können, wo diese Linie verläuft, müssen wir sie zunächst genau definieren.
Die Entwicklung eines Qualitätsmanagements kann dabei helfen. Regelprozesse zu beschreiben und zu hinterfragen, welche Ansätze für das eigene Unternehmen wichtig und zielführend sind und wann es Zuviel des Guten wird – das ist ein längerer, mitunter auch holpriger Prozess, der sich aber lohnt. Meiner Überzeugung nach braucht es unbedingt einen pragmatischen Ansatz. Wird der Qualitätsprozess zu kleinteilig gedacht, verliert er nicht nur seinen praktischen Nutzen, sondern wird regelrecht zum Hemmschuh. Auf Dauer laufen Sie dann der gewünschten Performance hinterher. Entscheidend ist insbesondere die Einstellung der Mitarbeiter zum Thema Qualitätssicherung. Insbesondere Ihre Führungskräfte sollten Ihre Grundüberzeugungen als Unternehmerin oder Unternehmer teilen und erkennen, welchen tatsächlichen Nutzen dieses Instrument bietet.
Die Zertifizierung als solche kommt zwar nicht ohne zusätzlichen Zeitaufwand aus – bei uns sind es in der Regel zwei Tage pro Jahr. Doch gerade die internen Audits nach DIN ISO 9001 empfinden wir nicht als Belastung, sondern als Möglichkeit, das von uns entwickelte Regelwerk immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Somit profitieren wir von einem lebendigen Qualitätsmanagement, das sich an unserem Kanzleialltag und unserer beruflichen Praxis ausrichtet. Zudem zeigt es uns in regelmäßigen Abständen, an welchen Stellen wir etwas verändern oder Korrekturen vornehmen müssen. Auch der Blick eines externen Prüfers ist nicht per se schlecht – im Gegenteil. Zuletzt konnten wir bei der Datenschutz-Grundverordnung auf diese Weise sicher gehen, alle relevanten Punkte umgesetzt zu haben. Ein solcher Audit ist auch immer eine Möglichkeit, kleinere und größere Fragen, die uns im Kanzleialltag begegnen, noch einmal sauber zu prüfen und das Ergebnis entsprechend zu dokumentieren.
Wer darauf bislang weniger Wert legt und die Qualität der eigenen Arbeit eher aus dem Bauch heraus beurteilt, wird einen solchen Prozess vermutlich als Belastung empfinden und eine Zertifizierung als Muss. Doch was wäre, wenn Sie Qualitätssicherung nicht als leidiges Übel, sondern als Chance betrachten, Ihre ohnehin vorhandenen Prozesse zu definieren, zu bewerten und gegebenenfalls neu auszurichten?!
Durchdenken Sie das Thema Qualität in einem ersten Schritt deshalb so gründlich wie möglich: Was ist Ihnen wichtig, was nicht? Sehen Sie sich verschiedene Alternativen an. Sind diese praxistauglich, passen Sie zu Ihrer Firmenkultur und zu Ihren Mitarbeitern? Mitunter erweisen sich bei der Einführung eines Qualitätsmanagements auch externe Berater als hilfreich.
Nochmal: Qualitätsmanagement und eine damit verbundene Zertifizierung kosten Zeit, Geld und Aufmerksamkeit. Doch unter dem Strich bringt ein solches System mehr als das es kostet. Denn je anspruchsvoller die eigene Haltung in punkto Qualität ist, desto wichtiger ist es, ab und an die Säge zu schärfen. Mit welchen Standards wollen wir arbeiten? Mit welchen Standards arbeiten wir tatsächlich? Wo haben sich Abweichungen eingeschlichen?
Heute ist Qualitätssicherung ein integraler Bestandteil unseres Kanzleialltags. Bezogen auf alle Mitarbeiter benötigen wir höchstens drei Tage im Jahr, um unsere Prozesse fortzuschreiben. Dabei investieren wir diese Zeit nicht für die Zertifizierung. In erster Linie wollen wir unserem eigenen Anspruch gerecht werden. Ein aktives Qualitätsmanagement ist für uns die Lösung, um nachhaltig sicherzustellen, dass die von uns entwickelten Prozesse auf Dauer funktionieren. Die wiederholte Rezertifizierung verhindert, dass wir das bereits Erreichte im Klein-Klein des Alltags wieder aufgeben ohne es (rechtzeitig) zu bemerken.
Qualitätsmanagement ist für uns also kein künstlicher Prozess, zu dem wir aus betriebswirtschaftlichen Gründen gezwungen wären. Vielmehr steht das Thema Qualität ohnehin im Mittelpunkt unseres täglichen Bemühens. Die Zertifizierung und damit die Anerkennung unserer Arbeit ist letztlich nur das i-Tüpfelchen.
Quelle: Ines Scholz: Go digital: Neues Denken in der Kanzleiführung. Mit 48 Workhacks den Datenschatz heben